
Letzte Woche rief mich eine Kundin an und fragt mich: Blau-gelb mit einem Auge? Macht das Sinn? Ein Pferd ist einseitig erblindet und nun ist die Frage, ob man mit einem halbblinden Pferd auch Equikinetic® oder Dualaktivierung® machen kann. Klar, kannst du, allerdings musst du ein paar Dinge wissen. Bei der blau-gelben Arbeit spielen wir mit dem Farbwechsel in den Gassen. Das Pferd macht Gehirnjogging, da es ständig durch die Farbreize (blau und gelb sticht für sie deutlich hervor) rechts und links guckt und gleichzeitig abwechselnd die linke und rechte Gehirnhälfte aktiviert. (Hierzu gibt es nächste Woche noch ein Erklärvideo). Bei einem halbblinden Pferd passiert das nicht. Es kann auch sein, dass ein halbblindes Pferd – je nachdem wie lange es schon erblindet ist – erst einmal unsicher in den Gassen ist. Daher bietet es sich an, nur innen Schaumstoffgassen zu legen und auf der Seite mit dem gesunden Auge zu beginnen. Haben die Pferde sich in dieser „Quadratvolte“ zurechtgefunden, wechselt man auf die andere Hand. Überfordere dein Pferd auf keinen Fall.
Stimmkommandos zur Orientierung
Etabliere Stimmkommandos zur Orientierung. Pferd können auch rechts und links lernen. Langsam und schnell sollten genauso ein Stimmkommando bekommen wie Stopp und Go. Was du verwendest, ist komplett dir überlassen (Schnalzen, Wörter, Klicken, etc.). Mit ETABLIEREN meine ich, eine verlässliche und eindeutige Verwendung der Stimmkommandos. Schreib dir bitte eine „Kommando-Liste“, auf der du alle Kommandos mit Bedeutung aufschreibst. Mehrere Kommandos fürs Halten bringen dein Pferd nur Durcheinander und aus der Balance. Deine Stimme ist deine wichtigste Hilfe! „Quatsch dein Pferd nicht tot“ hat mir einer meiner ersten Reitlehrer Immer gesagt. Bei halbblinden Pferden verhält sich das anders. Sieht dein Pferd dich auf dem Zirkel nicht, weil das gesunde Auge außen ist, ist eine sichere Verbindung über deine Stimme sinnvoll. Versuch mal eher leise zu kommunizieren und schau, wie dein Pferd reagiert. Lob und motiviere damit dein Pferd!
Viele vergessen vor lauter Hilfengebung, dass ein liebevolles Wort auch ein großes Lob für Pferde sein kann!
Verlängere deinen Arm
Ein weiteres Hilfsmittel ist deine Gerte. Sie sollte NUR als Verlängerung deines Armes dienen und nicht zum Treiben mal auf dem Po, mal auf dem Hinterbein oder wo auch immer zum Einsatz kommen. Nutzt du die Gerte als verlängerten Arm, kannst du jedes Körperteil deines Pferdes aktivieren. Übe erst im Stand Schulter, Rumpf und Hinterhand zu aktivieren und gehe dann in den Schritt über. Auch die leichte Verbindung zur Longe unterstützt dich bei der Arbeit. Schaffe eine vertrauensvolle und sichere Anlehnung für dein Pferd an deiner Hand. Ganz spannend: Lass dich doch mal mit geschlossenen Augen von einem anderen Menschen „longieren“ und fühl in die Verbindung rein. Ist eine Verbindung da, ist es einfach ihr zu folgen, hängt die Longe durch, verlierst du die Sicherheit und die Balance. Ist sie zu grob, hältst du vielleicht sogar dagegen.
Balance ist der Schlüssel zum Vertrauen
Balance ist für Pferde – ob gesund oder halbblind – ein Riesenthema! Ist ein Pferd ausbalanciert ist es sicher und fluchtfähig. Es weiß ganz genau, dass es im Notfall ganz flott weg galoppieren kann. Ist es nicht ausbalanciert, ist es unsicher und reagiert schneller mit Stress und Panik. Blau-gelb mit einem Auge macht also Sinn. Wichtig ist die Gewöhnung an die Gassen an den Beinen bzw. Hufen. Haben die Pferde erst einmal verstanden, dass sie sich an den Schaumstoffgassen nicht verletzen können, entspannen sie sich und arbeiten mit.
Ganz klar von Vorteil für die Balance ist die Arbeit mit der Doppellonge. Hier kannst du dein halbblindes Pferd wunderbar einrahmen und unterstützen. Lege dir z.B. eine Quadratvolte auf Zirkelgröße und fahre dein Pferd zunächst durch die Gassen. Denk daran, dass deine Körperposition für das Pferd auf der halbblinden Seite keine Rolle spielt. Bei einem gesunden Pferd richtet sich dein Pferd optisch nach dir aus, wenn du hinter ihm seitlich zu sehen bist. D.h. wenn du dich schräg hinters Pferd stellst, schaut auch dein Pferd nach rechts und stellt sich auch nach rechts. Halbblind muss sich dein Pferd sehr auf die Leinen verlassen. Die stete und sanfte Verbindung vom Kappzaum auf der Pferdenase zu deiner Hand ist also enorm wichtig für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Schwindel und Verspannungen
Auch Schwindel kann für halbblinde Pferde ein Problem sein. Gerade wenn dein Pferd kürzlich erst erblindet ist, solltest du auf Hinweise wie einen schwankenden Gang achten und zunächst nur auf langen Geraden arbeiten. Hier lohnt es sich auf jeden Fall den Rat deines Tierarztes einzuholen.
Ein weiteres leider häufiges Problem bei einseitig blinden Pferden ist das Verdrehen des Kopfes. Da dein Pferd auf einer Seite nicht mehr sehen kann, möchte es mit dem anderen Auge gucken und verdreht den Kopf. Je nachdem welches Auge betroffen ist, kann das Verdrehen enorm sein. Hier ist Vertrauen zum Menschen oft der Schlüssel. Manche Pferde neigen jedoch zu starken Verspannungen, die behandelt werden müssen. Auf keinen Fall darfst du dein Pferd in dieser Haltung longieren. Mehr Sinn macht es mit Übungen und Massagen die Haltung zunächst im Stand und im geführten Schritt aufzulösen. Hierfür bieten sich spezielle Techniken an, die du z.B. im Muskel-Relax-Programm für Pferde erlernen kannst.
Auch halbblinde Pferde wollen arbeiten
Klar, es ist eine große Umstellung mit einem halbblinden Pferd zu arbeiten, aber es wird dir für deinen Einsatz danken. Für Pferde gibt es nichts Schlimmeres als plötzlich nicht mehr gebraucht zu werden. Passe dein Training an, stell dich um und es wird eine ganz großartige und wertvolle Erfahrung für dich werden, mit deinem halbblinden Pferd zu arbeiten. Bleib im Vertrauen und du bekommst ganz viel von ihm geschenkt, versprochen.
Alles Liebe für dich und dein Pferd sende ich Dir!
Deine Adriane